Wie geht ein gesunder Umgang mit digitalen Medien?
Digitale Medien eröffnen schier unendliche Möglichkeiten für Kommunikation, Austausch, Information, Shoppen, Gamen, Gambling und vieles mehr. Neben Chancen bergen die digitalen Medien aber auch Risiken und können abhängig machen. Psychoaktive Angebote sind auf dem Vormarsch.
Was sind psychoaktive Angebote?
Christina Messerli: Unter psychoaktiven Angeboten verstehen wir digitale Angebote, welche abhängigkeitserzeugend sein und damit unsere psychische Gesundheit beeinträchtigen können. Dazu gehören in erster Linie Geldspiel- und Gaming-Angebote, im Weiteren aber auch Pornografie, Shopping-Angebote sowie Social Media-Inhalte.
Warum versagt hier der Jugendschutz?
Messerli: Ausser beim Geldspiel, wo wir ebenfalls noch viele Lücken sehen, gibt es noch kaum gesetzliche Regulierungen für diesen ganzen Bereich. Zudem können Altersbeschränkungen leicht umgangen werden. Grundsätzlich fehlt aus unserer Sicht ein politisches Bewusstsein für das Thema. Dies wäre die Grundlage für einen gesetzlich verankerten Jugendschutz. Während die Techfirmen in gefühlter Lichtgeschwindigkeit neue Angebote entwickeln, mahlen die Mühlen der Politik wie wir wissen sehr langsam. Aus unserer Sicht fehlt es an einer kohärenten Regulierung für alle psychoaktiven Produkte: Substanzen und digitale Angebote. Dieses Anliegen ist bei der Politik von Seiten Fachverbänden und Expert:innen deponiert.
Was raten Sie Konsument:innen?
Messerli: Wichtig ist, dass wir alle uns bewusst sind, dass wir Angebote konsumieren, deren Ziel es in erster Linie ist, uns ständig an sich zu binden oder auch uns abhängig zu machen. Es gilt also, eine Haltung zu finden als Individuum und auch Miteinander, dieser Entwicklung, die in erster Linie monetär getrieben ist, irgendwie die Stirn zu bieten.
Konsument:innen können sich ab und zu für sich oder mit anderen die Frage stellen: Konsumiere ich eigentlich so, wie ich es möchte? Entspricht mein Konsum meinen Werten, die mir wichtig sind? Verbringe ich genügend Zeit mit Dingen, die mir wichtig sind? Wenn ich dies nicht mehr mit Ja beantworten kann, lohnt es sich das Verhalten zu reflektieren und Schritt für Schritt wieder in die Richtung zu verändern, die für mich stimmt. Wichtig ist dabei, Ideen zu entwickeln, wie ich die Zeit, welche frei wird, verbringen will. Um Gewohnheiten zu verändern ist es einfacher, neue Aktivitäten aufzubauen als einfach das Gewohnte wegzulassen.
Wenn Konsument:innen das Gefühl haben, dies nicht allein zu schaffen oder weitere Ideen möchten, können sie sich jederzeit fachliche Unterstützung holen.
Sind Sie als Digital Natives nicht gefeit vor psychoaktiven, digitalen Angeboten?
Stephanie Bühlmann: Wir sind nicht besser geschützt als andere Menschen. Selbst wenn wir damit aufgewachsen sind und es eventuell besser erkennen können, gibt es viele, die dies nicht können.
Ramon Wüthrich: Das Aufwachsen mit digitalen Angeboten bringt eine Selbstverständlichkeit in den Umgang von digitalen Medien. Das soll jedoch nicht heissen, dass ich vor negativen Auswirkungen gefeit bin. Vielleicht ist es sogar schwieriger, Probleme zu erkennen, sobald sie zur Selbstverständlichkeit werden. Wichtig für mich ist es, sich selbst im Umgang damit reflektiert betrachten zu können.
Welche Verantwortung tragen wir als Konsument:innen selbst, wo sind Gesellschaft und Politik gefordert?
Bühlmann: Wir finden, die Politik ist dort gefordert, wo es um den Schutz der Jugendlichen und jungen Erwachsenen geht. Sei es mit Alterskontrollen oder sonstigen Mitteln. Wir finden es auch wichtig, dass die Eltern miteinbezogen werden und auch das Wissen weitergeleitet wird.
Wüthrich: Es ist schwierig ein frei zugängliches Medium der Verantwortung von jemandem zu überlassen. Die Entscheidung sollte meiner Meinung nach durch gesellschaftliche Entscheidungen reguliert werden können. Der tägliche Umgang, wie viel, was und wann konsumiert wird, sollte jedem selbst zur Auswahl stehen.
Was erwarten Sie von der Politik der Schweiz in diesem Bereich?
Bühlmann: Wir erwarten, dass die Politik, die Problematik, die Social Media mit sich bringt, erkennt und Lösungen dazu findet. Zudem soll das Internet nicht als rechtsfreier Raum angesehen werden, nur weil man “anonym” etwas posten kann.
Wüthrich: Ich erwarte, dass sich die Politik möglichst nahe mit dem Thema befasst. Bei einem so schnelllebigen Thema ist es wichtig auf die Gesellschaft zu hören, da sich die Umstände schnell ändern können. Eine «Tabuisierung» hilft meiner Meinung nach nicht, das Problem zu lösen. Wichtig ist es, dass es Anlaufstellen für Menschen mit Schwierigkeiten durch den Umgang von digitalen Medien gibt und dass auf diese aufmerksam gemacht wird.
Christina Messerli ist Systemtherapeutin und Expertin für Verhaltenssüchte. Sie ist Leiterin Beratung und Therapie bei der Berner Gesundheit.
Stephanie Bühlmann und Ramon Wüthrich sind Mitglieder des Zukunftsrats U24, welcher Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Schweiz eine politische Stimme gibt.
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